Der Migrationspakt (2020): Business as usual

Alles neu in der EU-Asylpolitik? Der Migrationspakt sollte den Stillstand überwinden, ist aber eher ein Schritt zurück als einer vor.

von
Nicolas Arp
und

Europäische Kommission veröffentlicht Migrations- und Asylpaket

Im September 2020 beschloss die Europäische Kommission das neue Migrations- und Asylpaket, welches die EU-Asylpolitik überarbeiten sollte. Durch den tragischen Brand im Camp Moria geschah die Veröffentlichung früher als geplant. Ein Schritt, der von manchen als Versuch gesehen wurde, der Kritik hinsichtlich der Geschehnisse auf Lesbos entgegenzuwirken.

Reformbedarf der EU-Asylpolitik

Unterstrichen wurde die Reformbedürftigkeit durch das löchrige Dublin-System sowie die mangelnde Aufnahmebereitschaft von Geflüchteten in vielen Staaten der EU. EU-Grenzstaaten wie Griechenland sahen sich völlig überfordert, während zentral- und nordeuropäische Länder wie Ungarn, Polen und Österreich jegliche Änderungen des Status Quo ablehnten.

Inhalt des Migrationspakts

Der vorgestellte Inhalt des Migrationspakts ist in vielerlei Hinsicht nicht neu, sondern spiegelt die Schwerpunkte der EU-Migrationspolitik wider. Konkret soll die EU-Außengrenzen besser überwacht werden. Hierfür sollte Anfang 2021 eine Europäische Grenz- und Küstenwache ihre Arbeit aufnehmen. Es gab auch einen verstärkten Fokus auf schnellere Asylverfahren - unter anderem durch sogenannte Grenzverfahren, um so früh wie möglich das Vorliegen von Fluchtgründen festzustellen. Liegen keine vor, können Menschen schneller wieder abgeschoben werden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll intensiver zum Einsatz kommen, ein EU-Rückführungs-Koordinator ernannt und Maßnahmen zur Eindämmung von (irregulärer) Migration verstärkt werden.

Kernstück des Pakts: Solidarität der EU-Staaten

Das Kernstück des Migrationspakts ist jedoch das Gebot der Solidarität der EU-Staaten. Abhängig von den jeweils aktuellen Umständen gibt es dafür drei Szenarien:

  • Ankunftszahlen sind "normal": Die Solidarität zur Aufnahme oder Verteilung von Geflüchteten (von einem EU-Mitgliedstaat zu einem anderen) bleibt freiwillig.
  • Hohe Ankunftszahlen: Mitgliedstaaten sollen bei der Bewältigung der Herausforderung mitwirken, entweder durch die Aufnahme von Geflüchteten oder durch die Unterstützung bei Abschiebungen.
  • Krisensituationen: Solidarität der EU-Mitgliedstaaten ist fokussiert auf die Aufnahme oder die finanzielle Unterstützung bei Abschiebungen (quasi eine "Abschiebungspatenschaft").

Kritik am Migrationspakt

Der Migrationspakt wurde von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, vor allem, dass daran vieles nicht neu ist. Es handle sich um die Weiterführung der gehabten EU-Migrationspolitik. Schnellere Verfahren an den EU-Grenzen würden zu ähnlichen Situationen führen wie der Hotspot-Ansatz und der EU-Türkei-Deal.

Quellen:
Campesi, G. (2020). The EU Pact on Migration and Asylum and the Dangerous Multiplication of ‘Anomalous Zones’ For Migration Management. In: The EU Pact on Migration and Asylum in light of the United Nations Global Compact on Refugees (Eds: Sergio Carrera & Andrew Geddes)
Europäische Kommission. (2020). Mitteilung der Kommission: Ein neues Migrations- und Asylpaket. Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1601287338054&uri=COM%3A2020%3A609%3AFIN