Von der Ankunft bis zur Aufenthaltserlaubnis. Oder der Abschiebung. Das deutsche Asylverfahren ist kompliziert und schwer zu verstehen. Hier folgt die verständliche Erklärung.
BAMF. ABH. Erstaufnahmeeinrichtung. Subsidiärer oder komplementärer Schutz. Begriffe, die jeder permanent hört und kaum jemand versteht. Was passiert eigentlich genau, wenn Geflüchtete in Deutschland um Asyl ansuchen?
Das Asylverfahren ist der gesamte rechtliche Ablauf von der Antragsstellung, über die Prüfung des Asylantrags, bis zur finalen Entscheidung: bleiben können oder gehen müssen. Zuständig für die Durchführung ist das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Innerhalb des Verfahrens fallen die wichtigsten Schritte in die Verantwortlichkeit des BAMF. Beim BAMF muss der Asylantrag gestellt werden und dort wird über das Asylgesuch entschieden.
Das BAMF ist nicht mit der ABH (Ausländerbehörde) zu verwechseln. Diese ist zuständig für die Ausstellung und Verlängerung der Ausweispapiere während und nach Ende des Asylverfahrens. Die Behörde trifft aber keine Entscheidung in Bezug auf das Asylgesuch an sich.
Kommen asylsuchende Menschen in Deutschland an, müssen sie ihr Asylgesuch persönlich vortragen. Dies können sie direkt in der Erstaufnahmeeinrichtung (in Berlin auch: Ankunftszentrum) des jeweiligen Bundeslandes machen, bei jeder Polizeidienststelle oder in einer Ausländerbehörde. Notfalls auch direkt beim Grenzübertritt nach Deutschland, falls sie dabei aufgehalten werden sollten. Geben sie hierbei zu erkennen Asyl beantragen zu wollen, hat jede*r einen Anspruch auf Durchführung des normalen Asylverfahrens. In der Praxis wird aus diesem Grund in der Regel von einer Anzeige wegen illegaler Einreise abgesehen.
In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden den Menschen die Fingerabdrücke abgenommen (bei allen ab dem 6. Lebensjahr). Ihre Dokumente (zum Beispiel Pass oder Führerschein) werden für die Dauer des Verfahrens verwahrt. Bargeld in Höhe von 200 Euro pro Person wird beschlagnahmt, es werden Fotos gemacht und eine medizinische Erstuntersuchung durchgeführt. Nach dieser Erstregistrierung wird allen Menschen ein Dokument ausgehändigt worauf die erhobenen Daten und die zuständige Erstaufnahmeeinreichtung vermerkt sind. Dieses Dokument soll auch den Zugang zu staatlichen Leistungen wie Unterbringung, Verpflegung usw. sichern. Die erhobenen Daten dienen zudem der Überprüfung, ob ein Dublin-Verfahren (also die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates für das Verfahren) eingeleitet werden muss.
In den Einrichtungen wird auch darüber entschieden, ob die Betroffenen noch vor Asylantragsstellung in ein anderes Bundesland verteilt werden. Das hängt von der Aufnahmequote der einzelnen Bundesländer ab (Berlin etwa nimmt aktuell 5 % der Asylsuchenden auf). Und: nicht alle Außenstellen des BAMF entscheiden über alle Herkunftsländer, der Transfer kann also auch aus diesem Grund nötig sein. Eine solche Verteilung kann nur dann gestoppt werden, falls dadurch Ehepartner voneinander oder Eltern von ihren minderjährigen Kindern getrennt würden. Auch wer krankheitsbedingt reiseunfähig ist, unterliegt nicht der Verteilung.
Das Asylgesuch ist allerdings noch nicht der Asylantrag, mit dem das Asylverfahren eingeleitet wird. Der Asylantrag muss, wiederum persönlich, in der jeweils zuständigen Außenstelle des BAMF gestellt werden. Dabei wird die Identität der betroffenen Person festgestellt. Etwaige Nachweise der Identität (Geburtsurkunden, Pässe, usw.) müssen daher vorgelegt werden. Mit dieser Antragsstellung wird offiziell eine Akte angelegt und das eigentliche Verfahren gestartet.
Nach der Asylantragstellung wird eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt. Dieses Dokument dient als Identifikationsnachweis während des gesamten Asylverfahrens und ersetzt den Ankunftsnachweis (ausgestellt nach der Erstregistrierung). Die Aufenthaltsgestattung ist oft räumlich beschränkt (die sogenannte Residenzpflicht), in der Regel auf den Bezirk in dem die Aufnahmeeinrichtung liegt.
Für Asylsuchende ist dieser Abschnitt der wichtigste ihres Verfahrens, es quasi das Kernstück. In der Anhörung können sie ihre Fluchtgründe darlegen und begründen. Die Asylbewerber*innen werden persönlich zu diesem Gespräch geladen. Neben Interviewer*in ist auch immer eine Person, die alles gesagt übersetzt, dabei.
Zuvor wird in jedem Fall aber auch noch die Zuständigkeit Deutschlands für das Asylverfahren geprüft. Ist das nicht der Fall wird ein Dublin-Verfahren eingeleitet.
Die Antworten darauf sollen helfen, Fluchtgeschichten stichhaltig zu beweisen. Fotos, Atteste oder andere Beweise sind bei der Anhörung vorzulegen. Das hier Gesagte wird in einem Protokoll zusammenfasst, das die Asylsuchenden unterschreiben müssen.
Unproblematisch ist das nicht: manche Asylwerber*innen berichten, dass ihre Unsicherheit und Ahnungslosigkeit in der Anhörung ausgenutzt werde. Immer wieder würden sie gedrängt, das Protokoll ihrer Befragung ohne Rückübersetzung zu unterschreiben. Damit aber billigen sie alles was möglicherweise falsch aufgenommen wurde.
Die Anhörung wird von Mitarbeiter*innen des BAMF durchgeführt. Obwohl die Anhörungen grundsätzlich nicht öffentlich sind, kann darf anwaltliche Unterstützung mitgebracht werden. Bei besonderer Schutzbedürftigkeit (falls die Asylsuchenden Opfer geschlechtsspezifischer oder sexualisierter Gewalt wurden oder wenn sie aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt wurden, Opfer von Menschenhandel oder traumatisiert sind) kann beantragt werden, dass speziell geschultes Personal die Anhörung vornimmt.
Theoretisch sollte die Anhörung zeitnah zur Antragsstellung erfolgen. Praktisch sieht das meist anders aus. Asylsuchende müssen in der Regel mit mehrwöchiger, manchmal sogar mehrmonatiger Wartezeit rechnen. Das aber sind Wochen bzw. Monate, die sie ohne geklärten Aufenthaltsstatus verbringen. Gleichzeitig kann der Rückstau an Anhörungen auch zu einer Überarbeitung der Interviewer*innen führen, was die Qualität untergraben kann.
Auf Grundlage der Anhörung entscheidet das BAMF, ob den Asylsuchenden Schutzstatus gebührt oder nicht. Aufbauend auf der Anhörung kann der/die Entscheider*in eingereichte Dokumente auf deren Echtheit überprüfen, die Lage in der Herkunftsland anhand offizieller Berichte einschätzen und weitere Beweise erfragen. Zeitgleich wird Asylbewerber*innen in der Regel auch weitere Zeit eingeräumt, um Gesagtes nachträglich mit Beweisen zu untermauern.
Grundsätzlich sollte der/die Entscheider*in auch die vorherige Anhörung geleitet haben, weil dort gezeigte Emotionen die finale Entscheidung beeinflussen können und die Glaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte steigern kann. Das BAMF muss allerdings Berge bislang unerledigter Anträge abtragen und sollte darüber hinaus kurze Bearbeitungszeiten garantieren — und diese Arbeit wird auf eine Vielzahl nicht miteinander kommunizierender Mitarbeiter*innen verteilt. In immer mehr Fällen befindet daher jemand über das zukünftige Leben eines Menschen, den er oder sie noch nie zu Gesicht bekommen hat. Einzige Grundlage ist die (hoffentlich korrekt) protokollierte Anhörung.
Das BAMF kann einen Asylantrag negativ oder positiv bescheiden. Die Entscheidung wird schriftlich und begründet ausgestellt. Fällt die Entscheidung positiv aus, kommen unterschiedliche Formen des Schutzstatus in Betracht: die Anerkennung der Asylberechtigung, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft; subsidiärer Schutz oder nationales Abschiebeverbot, der sogenannte komplementäre Schutz. Der Aufenthalt in Deutschland ist somit offiziell regulär. Die Dauer der erteilten Aufenthaltserlaubnis richtet sich jeweils nach dem beschiedenen Schutzstatus.
Fällt die Entscheidung negativ aus, und somit der Asylantrag abgelehnt, wird den Asylsuchenden zunächst eine Frist zur Ausreise gesetzt. Sie erhalten eine Grenzübertritts-Bescheinigung, die sie dort — an der Grenze -vorlegen müssen. Damit ist ihre Ausreise offiziell dokumentiert. Verstreicht die Frist ohne Ausreise, droht Asylsuchenden die zwangsweise Abschiebung aus Deutschland. Mit dieser Entscheidung ist das Asylverfahren grundsätzlich abgeschlossen.
Nach der Zustellung des Bescheids können Asylwerber*innen innerhalb einer bestimmten Frist beim für sie zuständigen Verwaltungsgericht dagegen klagen. Unabhängig davon, ob der Bescheid positiv oder negativ ausfällt. Ziel ist in jedem Fall ein höherer Schutzstatus. Bei positivem Bescheid durch eine sogenannte Upgrade-Klage und bei negativem geht es um die Zuerkennung des Aufenthaltsrechts. Eine postive Entscheidung kann daher ebenfalls angefochten werden. Dies wird in manchen Fällen gemacht, wenn Fehler auf Seiten des BAMF vorliegen und ein höherer Schutzstatus zuerkannt hätte werden sollen.
Entscheiden sich Asylsuchende für den Klageweg, verlängert sich ihr Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine Abschiebung ist bis dahin nicht möglich und ihr Anspruch auf ihnen zustehende soziale Leistungen bleibt erhalten. Entscheidet das Verwaltungsgericht erneut negativ sind Asylbewerber*innen zur Ausreise verpflichtet.
Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist das Asylverfahren endgültig abgeschlossen. Nur unter bestimmten, eingeschränkten Voraussetzungen kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.